Limikolen-Herbstzug auf Texel – III

31. August 2024

Das nie­der­län­di­sche Verb uit­waai­en lässt sich nicht gut ins Deut­sche über­set­zen. Uit­waai­en wird in etwa ‚autwei­en‘ aus­ge­spro­chen und setzt sich zusam­men aus den Wör­tern uit (‚aus‘) und waai­en (‚wehen‘). Uit­waai­en bezeich­net, wenn man an der fri­schen Luft spa­zie­ren geht, vor­zugs­wei­se am Strand, wo einem der Wind um die Ohren bläst und die Sor­gen mit sich nimmt. Im letz­ten Bericht über mei­nen Auf­ent­halt im nie­der­län­di­schen Wat­ten­meer schrei­be ich über einen schö­nen Strand­spa­zier­gang, bei dem ich mich uit­waai­en ließ, und dabei noch ein paar Bil­der aufnahm.

Mein dies­jäh­ri­ger Auf­ent­halt auf Texel war unheim­lich erleb­nis­reich. Dass ich Gold­re­gen­pfei­fer im Wat­ten­meer und ver­schie­de­ne Limi­ko­len an einem Wei­her foto­gra­fier­te, gehört nur zu einem mei­ner zahl­rei­chen Erleb­nis­se. Ich traf auch zahl­rei­che Freun­de wie­der, dar­un­ter Melis­sa die ich seit 2020 nicht mehr gese­hen hat­te. Ich sah die Nie­der­län­de­rin­nen Car­li­jn und Lie­ke, mit denen ich drei Jah­re lang im Vor­stand in der Arbeits­grup­pe Exkur­si­on (WEX) der Wad­den­ver­eni­ging gewe­sen bin. Die Lis­te der Nie­der­län­der, die ich nicht mehr häu­fig sehe, seit­dem ich nicht mehr in Nim­we­gen woh­ne, ist lang. Auf Texel freu­te ich mich über Begeg­nun­gen mit Adria­an, Han­ne­ke, Jas­mi­jn, Lon­ne­ke, Lot, Saré, Sean und Tjits­ke. Natür­lich freu­te ich mich auch dar­über mit Ara­na­ka, Enzo und Orpha neue Freun­de gemacht zu haben. Was haben wir viel gelacht!

 

Ob Vögel etwas mit dem Kon­zept von uit­waai­en anfan­gen kön­nen, ist schwer zu bestim­men, da sie nicht spre­chen kön­nen. Man könn­te jedoch argu­men­tie­ren, dass ihre Inter­ak­ti­on mit der Umwelt—wie sie mit dem Wind glei­ten, in der fri­schen Luft nach Nah­rung suchen und sich frei bewegen—eine ähn­li­che Freu­de am Drau­ßen­sein und die erfri­schen­de Wir­kung von fri­scher Luft wider­spie­geln könn­te. In die­sem Sin­ne könn­ten sie viel­leicht ihre eige­ne Ver­si­on von uit­waai­en haben!

 

An mei­nem letz­ten Tag auf Texel war ich der letz­te Zurück­ge­blie­be­ne unse­rer bun­ten Trup­pe – bis auf die Weni­gen von uns, die beim König­li­chen Nie­der­län­di­schen Insti­tut für Mee­res­for­schung arbei­ten und auf Texel woh­nen, hat­ten alle ande­ren unse­re gelieb­te Insel ver­las­sen. Ich hat­te mich dafür ent­schie­den, die letz­te Fäh­re zum Fest­land zu neh­men und noch einen letz­ten Son­nen­un­ter­gang am Strand von De Sluf­ter zu erle­ben. An die­sem Strand­ab­schnitt konn­te ich regel­mä­ßig ver­schie­de­ne Möwen beob­ach­ten, die ich foto­gra­fie­ren woll­te. Natür­lich woll­te ich auch ein­fach uit­waai­en.

 

Die Natur beschenkt uns mit Energie

 

Ich schlen­der­te durch den Wind und ent­deck­te schließ­lich zwei Aus­tern­fi­scher (Hae­ma­to­pus ost­ra­le­gus). Auf­grund mei­ner häu­fi­gen Besu­che des nie­der­län­di­schen Wat­ten­meers hat­ten mich Aus­tern­fi­scher nie beson­ders inter­es­siert. Auf Ter­schel­ling fand ich ein­mal ein akti­ves Aus­tern­fi­scher-Nest direkt neben dem Fahr­rad­weg. Ich hät­te mich nicht gewun­dert, wenn die brü­ten­den Vögel mir Wür­mer aus den Hän­den geges­sen hät­ten. Kurz­um, Aus­tern­fi­scher waren für mich immer so etwas wie die Tau­ben des Wat­ten­meers und ande­re Arten weck­ten grö­ße­res Interesse. 

 

Aus­tern­fi­scher waren in den Nie­der­lan­den als ers­ter Vogel zwei Mal hin­ter ein­an­der Vogel des Jah­res (2022 und 2023). Mit die­ser Maß­nah­me soll dar­auf auf­merk­sam gemacht wer­den, dass die Anzahl der Aus­tern­fi­scher dras­tisch abge­nom­men hat.

 

Mitt­ler­wei­le den­ke ich bei Aus­tern­fi­schern jedoch häu­fi­ger an einen befreun­de­ten Hob­by-Vogel­fo­to­graf, Eric, den ich an der Ost­see ken­nen­ge­lernt habe. Eric war ver­blüfft dar­über, dass Aus­tern­fi­scher mich kalt lie­ßen, denn an der Ost­see sind Aus­tern­fi­scher eher sel­ten. Ich ent­schloss, ein paar Aus­tern­fi­scher für Eric aufzunehmen.

Zur Vor­ge­hens­wei­se fällt nicht viel zu sagen. In gro­ßem Abstand begann ich mich den Aus­tern­fi­schern über den Boden rob­bend zu nähern. Dabei robb­te ich ein paar Meter, dann beob­ach­te­te ich die Vögel für eini­ge Minu­ten, dann robb­te ich wie­der ein paar Meter wei­ter. Die Annä­he­rung dau­er­te sehr lan­ge, fühl­te sich aber kurz­wei­lig an, da ich die Zeit genoss. Die Son­ne schien mir warm auf den Rücken und das Meer rausch­te in mei­nen Ohren. Nach gut einer Stun­de hat­te ich mich den Aus­tern­fi­schern auf Foto­di­stanz genä­hert. Nach­dem ich die Bil­der im Kas­ten hat­te, ent­fern­te ich mich vor­sich­tig von den Aus­tern­fi­schern ohne die­se zu verscheuchen.

 

 

Ich setz­te mei­nen Strand­spa­zier­gang fort, aber es dau­er­te nicht lan­ge, bis ich mein nächs­tes Motiv antraf. Ein paar San­der­lin­ge (Calid­ris alba) husch­ten ent­lang der Was­ser­kan­te. Auf­grund ihrer Zutrau­lich­keit fin­de ich San­der­lin­ge recht dank­ba­re Foto­mo­ti­ve und mein Archiv ist voll mit San­der­ling-Fotos, auf­ge­nom­men in Por­tu­gal, im nie­der­län­di­schen Wat­ten­meer oder an der deut­schen Ost­see­küs­te. Das Licht war jedoch wun­der­schön und so leg­te ich mich noch ein­mal auf den Boden. 

 

San­der­lin­ge ernäh­ren sich von klei­nen Wir­bel­lo­sen und orga­ni­schen Res­ten, die am Strand zurück blei­ben, wenn die Wel­len ablaufen.

 

In mei­ner Bade­ho­se mach­ten mir die auf den Strand auf­lau­fen­den Wel­len nichts aus. Ich hielt ledig­lich mei­ne Kame­ra hoch, um sie vor dem Was­ser zu schüt­zen. Zu den Schöns­ten Din­gen der Foto­gra­fie gehört für mich die Natur mit Haut und Haar zu spü­ren. Nach­dem ich die San­der­lin­ge foto­gra­fiert hat­te, nahm ich noch ein letz­tes Bad in der Nord­see. Zum Trock­nen spa­zier­te ich ein­fach am Strand entlang.

Dass ich die­sen Blog mit einem Bei­trag über das nie­der­län­di­sche Wat­ten­meer star­ten kann, freut mich rie­sig. Die Schil­de­run­gen über mei­nen Auf­ent­halt auf Texel sind hof­fent­lich nicht nur aus foto­gra­fi­scher und orni­tho­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve inter­es­sant, son­dern zei­gen hof­fent­lich auch, wel­che tol­len Erfah­run­gen mit der Vogel­fo­to­gra­fie ein­her­ge­hen. Wenn ich mein Hob­by mit ande­ren Vogel­be­geis­ter­ten tei­len kann, freut mich das sehr. Wer weiß mit wem ich nächs­tes Mal in der Natur unter­wegs bin.

 

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