Das niederländische Verb uitwaaien lässt sich nicht gut ins Deutsche übersetzen. Uitwaaien wird in etwa ‚autweien‘ ausgesprochen und setzt sich zusammen aus den Wörtern uit (‚aus‘) und waaien (‚wehen‘). Uitwaaien bezeichnet, wenn man an der frischen Luft spazieren geht, vorzugsweise am Strand, wo einem der Wind um die Ohren bläst und die Sorgen mit sich nimmt. Im letzten Bericht über meinen Aufenthalt im niederländischen Wattenmeer schreibe ich über einen schönen Strandspaziergang, bei dem ich mich uitwaaien ließ, und dabei noch ein paar Bilder aufnahm.
Mein diesjähriger Aufenthalt auf Texel war unheimlich erlebnisreich. Dass ich Goldregenpfeifer im Wattenmeer und verschiedene Limikolen an einem Weiher fotografierte, gehört nur zu einem meiner zahlreichen Erlebnisse. Ich traf auch zahlreiche Freunde wieder, darunter Melissa die ich seit 2020 nicht mehr gesehen hatte. Ich sah die Niederländerinnen Carlijn und Lieke, mit denen ich drei Jahre lang im Vorstand in der Arbeitsgruppe Exkursion (WEX) der Waddenvereniging gewesen bin. Die Liste der Niederländer, die ich nicht mehr häufig sehe, seitdem ich nicht mehr in Nimwegen wohne, ist lang. Auf Texel freute ich mich über Begegnungen mit Adriaan, Hanneke, Jasmijn, Lonneke, Lot, Saré, Sean und Tjitske. Natürlich freute ich mich auch darüber mit Aranaka, Enzo und Orpha neue Freunde gemacht zu haben. Was haben wir viel gelacht!
An meinem letzten Tag auf Texel war ich der letzte Zurückgebliebene unserer bunten Truppe – bis auf die Wenigen von uns, die beim Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung arbeiten und auf Texel wohnen, hatten alle anderen unsere geliebte Insel verlassen. Ich hatte mich dafür entschieden, die letzte Fähre zum Festland zu nehmen und noch einen letzten Sonnenuntergang am Strand von De Slufter zu erleben. An diesem Strandabschnitt konnte ich regelmäßig verschiedene Möwen beobachten, die ich fotografieren wollte. Natürlich wollte ich auch einfach uitwaaien.
Die Natur beschenkt uns mit Energie
Ich schlenderte durch den Wind und entdeckte schließlich zwei Austernfischer (Haematopus ostralegus). Aufgrund meiner häufigen Besuche des niederländischen Wattenmeers hatten mich Austernfischer nie besonders interessiert. Auf Terschelling fand ich einmal ein aktives Austernfischer-Nest direkt neben dem Fahrradweg. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn die brütenden Vögel mir Würmer aus den Händen gegessen hätten. Kurzum, Austernfischer waren für mich immer so etwas wie die Tauben des Wattenmeers und andere Arten weckten größeres Interesse.
Mittlerweile denke ich bei Austernfischern jedoch häufiger an einen befreundeten Hobby-Vogelfotograf, Eric, den ich an der Ostsee kennengelernt habe. Eric war verblüfft darüber, dass Austernfischer mich kalt ließen, denn an der Ostsee sind Austernfischer eher selten. Ich entschloss, ein paar Austernfischer für Eric aufzunehmen.
Zur Vorgehensweise fällt nicht viel zu sagen. In großem Abstand begann ich mich den Austernfischern über den Boden robbend zu nähern. Dabei robbte ich ein paar Meter, dann beobachtete ich die Vögel für einige Minuten, dann robbte ich wieder ein paar Meter weiter. Die Annäherung dauerte sehr lange, fühlte sich aber kurzweilig an, da ich die Zeit genoss. Die Sonne schien mir warm auf den Rücken und das Meer rauschte in meinen Ohren. Nach gut einer Stunde hatte ich mich den Austernfischern auf Fotodistanz genähert. Nachdem ich die Bilder im Kasten hatte, entfernte ich mich vorsichtig von den Austernfischern ohne diese zu verscheuchen.
Ich setzte meinen Strandspaziergang fort, aber es dauerte nicht lange, bis ich mein nächstes Motiv antraf. Ein paar Sanderlinge (Calidris alba) huschten entlang der Wasserkante. Aufgrund ihrer Zutraulichkeit finde ich Sanderlinge recht dankbare Fotomotive und mein Archiv ist voll mit Sanderling-Fotos, aufgenommen in Portugal, im niederländischen Wattenmeer oder an der deutschen Ostseeküste. Das Licht war jedoch wunderschön und so legte ich mich noch einmal auf den Boden.
In meiner Badehose machten mir die auf den Strand auflaufenden Wellen nichts aus. Ich hielt lediglich meine Kamera hoch, um sie vor dem Wasser zu schützen. Zu den Schönsten Dingen der Fotografie gehört für mich die Natur mit Haut und Haar zu spüren. Nachdem ich die Sanderlinge fotografiert hatte, nahm ich noch ein letztes Bad in der Nordsee. Zum Trocknen spazierte ich einfach am Strand entlang.
Dass ich diesen Blog mit einem Beitrag über das niederländische Wattenmeer starten kann, freut mich riesig. Die Schilderungen über meinen Aufenthalt auf Texel sind hoffentlich nicht nur aus fotografischer und ornithologischer Perspektive interessant, sondern zeigen hoffentlich auch, welche tollen Erfahrungen mit der Vogelfotografie einhergehen. Wenn ich mein Hobby mit anderen Vogelbegeisterten teilen kann, freut mich das sehr. Wer weiß mit wem ich nächstes Mal in der Natur unterwegs bin.