Limikolen-Herbstzug auf Texel – II

28. August 2024

Mor­gen­stund’ hat Gold im Mund, ist ein bekann­tes deut­sches Sprich­wort. Kom­me ich im All­tag häu­fig nicht aus den Federn, kann ich in mei­ner Frei­zeit nicht früh genug auf­ste­hen. Die meis­ten Vögel sind in den frü­hen Mor­gen­stun­den am aktivs­ten. Außer­dem kann ich mich als Foto­graf im Schutz der Dun­kel­heit mei­nen gefie­der­ten Sujets nähern ohne die­se zu ver­scheu­chen. Dass das Licht um den Son­nen­auf­gang her­um das schöns­te Licht des Tages ist, ist das i‑Tüpfelchen. In die­sem zwei­ten Bei­trag zum dies­jäh­ri­gen Herbst­zug der Wat­vö­gel beleuch­te ich, wie ich die frü­hen Mor­gen­stun­den aus­nutz­te, um ver­schie­de­ne Wat­vö­gel an einem klei­nen Tüm­pel zu fotografieren.

Die­sen Som­mer ver­brach­te ich Ende August auf der Insel Texel. Auf einem Spa­zier­gang mit einer Freun­din fiel mir ein Wei­her im Natur­schutz­ge­biet De Sluf­ter in die Augen. Auf die­sem Wei­her tum­mel­ten sich unter ande­rem Grün­schen­kel (Tringa nebu­la­ria), Bruch­was­ser­läu­fer (Tringa glareo­la), Wald­was­ser­läu­fer (Tringa ochro­pus) und Bekas­si­ne (Gal­li­na­go gal­li­na­go). Somit beher­berg­te der Wei­her Arten, die ich ger­ne (noch) ein­mal foto­gra­fie­ren woll­te, denn mei­ne bes­ten Fotos von Grün­schen­kel und Wald­was­ser­läu­fer sind alt, mei­ne Bekas­si­ne-Fotos gefal­len mir nicht und Bruch­was­ser­läu­fer hat­te ich noch nie vor der Lin­se. Der klei­ne See schien mir die idea­len Bedin­gun­gen zu haben, um mein Foto-Archiv auszubessern.

 

Die Grün­schen­kel wate­ten schon lan­ge vor Son­nen­auf­gang durch das Was­ser. In die­ser Dun­kel­heit zu foto­gra­fie­ren ist anspruchs­voll und auf­grund der Licht­stim­mung beson­ders lohnenswert.

 

In den nächs­ten Tagen such­te ich den Wei­her noch drei wei­te­re Male auf, zwei Mal davon mit Freun­den. Das ein­zi­ge, was schö­ner ist als die Orni­tho­lo­gie, ist die Orni­tho­lo­gie als Gemein­schafts­ak­ti­vi­tät. Bei jedem Besuch des Wei­her sahen wir mei­ne ›Wunschar­ten‹. Ich über­leg­te bei die­sen Spa­zier­gän­gen schon, wo ich mich für das Shoo­ting posi­tio­nie­ren wür­de und folg­te dabei fol­gen­den Leit­fra­gen: Wel­che Stel­len des Ufers sind für mich erreich­bar? Wel­chen Hin­ter­grund wür­den Fotos von die­sen Stel­len haben? Wo wür­de die Son­ne stehen?

 

Die Wald­was­ser­läu­fer näher­ten sich mir häu­fig bis unter die Nah­ein­stell­gren­ze mei­ner Kame­ra. Nie zuvor hat­te ich gese­hen, dass man durch die Nasen­lö­cher im Schna­bel hin­durch gucken kann.

 

Völ­lig außer Fra­ge war die Vor­ge­hens­wei­se bei dem Shoo­ting. Ich wür­de mich in der nächt­li­chen Fins­ter­nis an der Ufer pir­schen, um die Vögel nicht zu ver­scheu­chen. Für die nächs­ten Näch­te sag­te der Wet­ter­be­richt ein­stel­li­ge Tem­pe­ra­tu­ren an. Da man auf dem Boden lie­gend bei sol­chen Tem­pe­ra­tu­ren schnell aus­kühlt – und ich wür­de eini­ge Stun­den lie­gen müs­sen – muss­te ich ein paar Tage bis zum Shoo­ting warten.

 

Die schöns­ten Momen­te fängt nur das Herz ein

 

An dem heiß ersehn­ten Mor­gen klin­gel­te mein Wecker mor­gens um halb vier. Gut eine hal­be Stun­de spä­ter war ich am Tüm­pel. Ich sprüh­te mich mit viel Anti-Mücken-Spray ein (sehr emp­feh­lens­wert!), zog mir mei­nen Camou­fla­ge-Anzug an, schlich zum Ufer und leg­te mich an der geeig­ne­ten Stel­le hin. Es war kalt, aber erträg­lich. Da es noch zu dun­kel war, um zu foto­gra­fie­ren, ruh­te ich mich noch etwas aus. Im Ange­sicht des bevor­ste­hen­den Shoo­tings wäre es mir unmög­lich gewe­sen zu schla­fen, zu groß war mei­ne Vorfreude

 

End­lich ein Bruch­was­ser­läu­fer! Mei­ne ers­te Sich­tung die­ses Limi­ko­lens mit der schö­nen Rücken­zeich­nung hat­te ich in 2021, aber mein ers­tes Foto mach­te ich erst drei Jah­re später.

 

Zwei Bekas­si­nen lie­fen meckernd vom ande­ren Ufer durch das saich­te Was­ser und kamen bei auf zwei, drei Arm­län­gen an mich her­an. Wer so etwas schon ein­mal erlebt hat, weiß, wie beson­ders die­se Momen­te sind. Nie­mals lässt sich solch eine Begeg­nung auf so kur­ze Distanz und mit­ten in der Fins­ter­nis auf Fotos bannen.

 

 

Noch vor Son­nen­auf­gang konn­te ich die ers­ten Fotos rea­li­sie­ren. Dafür ver­wen­de­te ich einen Boh­nen­sack als Sta­tiv und den Burst-Modus mei­ner Kame­ra. Im Burst-Modus macht mei­ne Kame­ra sie­ben Auf­nah­men pro Sekun­de. So ent­ste­hen zwi­schen vie­len unschar­fen Fotos in der Regel immer auch ein, zwei schar­fe Fotos. 

Dies­mal stell­te ich aller­dings fest, dass alle Fotos unbrauch­bar waren. Der Grund: Die Front­lin­se war beschla­gen. Kurz­zei­tig dach­te ich, dass all der Auf­wand umsonst war, denn mir ist bis heu­te noch kein Mit­tel gegen beschla­ge­ne Lin­sen bekannt. Ich ent­schied mich etwas zu war­ten, dann putz­te ich die Lin­se, und wenn die Lin­se wie­der beschlug, war­te­te ich ein­fach wei­ter. Immer­hin war es noch fast Nacht und ich hoff­te, dass die Lin­se mit Tages­an­bruch nicht mehr beschla­gen würde.

Mei­ne Hoff­nung bewahr­hei­te­te sich. Mir gelan­gen erst Auf­nah­men vom Grün­schen­kel, dann kamen die Wald­was­ser­läu­fer nah an mich her­an. Auch die Bruch­was­ser­läu­fer lie­ßen sich bli­cken und posier­ten vor der Kame­ra. Selbst die scheu­en Bekas­si­nen tauch­ten spä­ter auf. Wei­te­re Gäs­te am Wei­her waren Rot­schen­kel (Tringa tota­nus), ein jun­ger Löff­ler (Pla­ta­lea leu­co­ro­dia), und Bach­s­tel­ze (Mot­acil­la alba).

 

 

Da es an die­sem Mor­gen rela­tiv wind­still war, war die Was­ser­ober­flä­che teil­wei­se recht glatt, und ich hat­te mei­ne Freu­de dar­an, die Spie­ge­lun­gen der Vögel mit in die Bil­der ein­zu­be­zie­hen. Ver­schie­den dicke Wol­ken­schlei­er zogen vor der auf­ge­hen­den Son­ne vor­bei und so ent­stan­den inner­halb weni­ger Augen­bli­cke unter­schied­li­che Licht­si­tua­tio­nen mit vari­ie­ren­den farb­li­chen Nuan­cen. Schö­ner hät­te die­ser Mor­gen nicht sein können.

 

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